Scheinheiliges Leitbild – wie du es besser als die Credit Suisse machst

Heute geht es um ein Thema, das uns alle betrifft: Leitbilder in Unternehmen und warum sie oft scheitern. Die jüngsten Ereignisse bei der Credit Suisse haben gezeigt, dass wohlklingende Leitsätze allein nicht ausreichen, um ethisches Verhalten sicherzustellen. Mit diesem Blog-Artikel zeige ich dir, wie du es mit eurem Leitbild besser machst als die Credit Suisse.

Wie du vielleicht weisst, hat(te) die Credit Suisse ein umfassendes Leitbild, das unter anderem die ethischen Grundsätze des Unternehmens festlegt.

«Wir stellen den kurzfristigen Erfolg nicht über langfristige Wertschöpfung» schrieb die Credit Suisse. Ausserdem: «Wir schaffen bleibende Werte, indem wir unsere Kunden mit Umsicht und Unternehmergeist betreuen.»

…..Auszug aus dem Code of Conduct der Credit Suisse (genehmigt 2020)

Seit die Credit Suisse in den Schlagzeilen steckt, entlocken diese Leitsätze jeweils zynische Kommentare bei meinen Leitbild-Kunden. Weil sie die Realität nicht widerspiegeln und aus heutiger Sicht nur scheinheilig sind.

Die Skandale und der aktuelle Fall der Credit Suisse zeigen offenkundig, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zuwenig im Einklang mit diesen Grundsätzen gehandelt haben.

Schuld an allem ist unser Gehirn

Aber warum ist das so? Warum können Leitbilder nicht garantieren, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer ethisch handeln? Eine Antwort darauf liegt in der Funktionsweise unseres Gehirns.

Das menschliche Gehirn ist darauf ausgelegt, schnell und effizient Entscheidungen zu treffen. Das bedeutet aber auch, dass wir oft unbewusst und automatisch handeln, ohne uns über die Konsequenzen unserer Handlungen im Klaren zu sein. Wir tendieren dazu, kurzfristige Belohnungen höher zu gewichten als langfristige Ziele und höhere Werte. Das bedeutet, dass auch gut gemeinte Leitbilder oft nicht ausreichen, um das Verhalten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern langfristig zu beeinflussen.

Was kann man also tun, um ein Leitbild zu entwickeln, das tatsächlich funktioniert? Der erste Schritt ist, sich bewusst zu machen, dass ein Leitbild allein nicht ausreicht. Es braucht weitere Instrumente und Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich auch tatsächlich an die Grundsätze halten. Dazu gehören zum Beispiel Schulungen, regelmäßige Überprüfungen und klare Verantwortlichkeiten. Oder wie im konkreten Fall ein entsprechendes Vergütungssytem.

Sehr bewährt hat sich Storytelling: Mitarbeiter erzählen, wie sie die Grundsätze des Leitbilds eingehalten haben – obwohl es nicht einfach war.

Der zweite Schritt ist, das Leitbild nicht nur als reine Textform zu betrachten, sondern es in der Unternehmenskultur zu verankern. Dazu gehört zum Beispiel, dass die Führung das Leitbild vorlebt und die Grundsätze auch bei schwierigen Entscheidungen konsequent anwendet. Es kann auch hilfreich sein, das Leitbild in verschiedenen Formaten und Kanälen zu kommunizieren, damit es von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verstanden und verinnerlicht wird.

Nicht aufgeben – dein Leitbild soll besser sein als das der Credit Suisse

Wenn du Marketingverantwortliche:r eines KMU bist oder eines führst und bisher keine guten Erfahrungen mit Leitbildern gemacht hast, lohnt es sich also, noch einmal genauer hinzusehen und nicht einfach aufzugeben. Dein Leitbild soll besser sein als das der Credit Suisse.

Wie wäre es, wenn ihr versuchen würdet, euer Leitbild authentisch statt schönfärberisch und mit emotional-intelligentem Wissen zu schreiben?

Dann würde oben stehender Leitsatz so da stehen:

«Wir stellen langfristige Wertschöpfung über kurzfristigen Erfolg – im Bewusstsein, dass dies für uns Menschen nicht immer einfach ist.»

Ein klug formuliertes, aufrichtiges Leitbild kann dazu beitragen, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einem gemeinsamen Wertefundament handeln. Sie sind weniger misstrauisch oder sogar zynisch. Aber es braucht weitere Maßnahmen und eine hartnäckige, routinemässige Verankerung, um tatsächlich eine langfristige Wirkung zu erzielen.

Ich wünsche dir viel Erfolg mit eurem Leitbild!

 

Ingrid Schmid ist Expertin für Unternehmenskommunikation aus Luzern (CH). Seit 2018 coacht sie KMUs methodisch für werthaltige Marketingtexte. Die wilden Locken hat sie von ihren Grossmüttern Irma und Erna geerbt.